Die größte Überraschung überhaupt

Am 1. Dezember hat mich mein Wecker mal wieder geweckt. Äh, zu früh für mein Gefühl. Aber die Uhrzeit war richtig. Oh, mir hat jemand über Facebook geschrieben. Mh, was ist das denn?? 1:49 Uhr geschrieben. „Hi, my name is Shondra.“ Ja, ich habe meine Brille noch auf dem Nachttisch liegen gehabt. „Was für ein Scheiß Spam ist das denn schon wieder? Was will die mir denn andrehen? Was soll das? Und das noch mitten in der Nacht?“ Es war wirklich viel geschrieben. Also Augen zusammen kneifen und noch mal kucken. „Hi Heidi. My name is Shondra. My son, Ryan is dating Justine. “ – „Was zur Hölle soll das jetzt? Justine hat doch einen Freund in Amerika…….. Moment, der heißt auch Ryan. AAAAAHHHHH! Das wird Ryan´s Mutter sein.“ Also nochmal von vorne. Aber mit Brille. Hier die Kurzfassung:

Ryan´s Eltern und Justine´s Eltern wollten die beiden überraschen und Ryan für einige Zeit nach Deutschland schicken.

Ich habe erst mal geschrien. Ich schrei ja ständig. Wie süß, die Vorstellung. Es war einfach nur toll. Und vor allem so besonders. Ein Geschenk, wie es nicht größer sein könnte. OK, es gibt vielleicht einiges, das größer wäre. Aber für Justine nicht.

Also ging es los. Ich habe einen regen Chatverlauf mit Shondra begonnen. Egal wo, ob mitten beim Einkaufen, abends auf dem Sofa, wenn Justine daneben saß (das waren meine liebsten Momente, ganz hinterhältig alles planen und sie sitzt unwissend und nichts ahnend neben mir), in einfach allen möglichen Situationen haben wir geplant und getüftelt, wie und wann alles am besten ist.

So kamen wir auf die Zeit nach Weihnachten. Zwischendrin kam die Frage auf, ob er nicht zum 2. Weihnachtstag anreisen soll. Aber das hat leider nicht funktioniert. DAS wäre wirklich noch eine größere Überraschung gewesen. Nur hat es nicht mit dem Flug geklappt. Also haben wir Justine an Weihnachten sehr beschäftigt, dann kam Paris, das Konzert und Silvester. Perfekt, dass Ryan am 2. Januar landen konnte. Sie würde mit Sicherheit müde sein. Wie hinterlistig von mir. Insgesamt war vieles hinterlistig. Aber in netter Weise, wie sich am Ende alles raus stellt.

Irgendwann fragte mich Shondra, ob es denn möglich sei, dass ich irgendwie Ryan´s Geschenk von Justine aus dem Paket entwenden könnte, damit sie ihre Weihnachtsgeschenke zusammen auspacken können. Puh, wie mach ich das nur? Der Tag des Pakete packen für USA kam. Es sollten zwei werden. Mit komplett abwiegen und Größe bestimmen war das Paket für Ryan und seine Familie zu schwer. Mh, wie bekomm ich das hin? Oh, gute Idee. Ich pack einfach ein paar Sachen raus und in nen großen Umschlag, der natürlich viel zu voll und damit zu dick für die Post ist. Aber das ist ja egal. Am nächsten Tag, wenn ich zur Post gehen würde, fehlen Ryan´s Sachen und alles passt perfekt in das Paket. Nur leider würde alles sehr zu geklebt sein, damit auch ja nichts aufgeht. Also alles komplett einpacken, festkleben und uns freuen, dass alles so schön passt. Sogar der übergroße Umschlag. Aber wohin mit Ryan´s Geschenken? Ach, am besten dorthin, wo sie es immer sieht aber nie vermutet. In ihren Kleiderschrank. Jeden Tag würde sie drauf kucken und nicht wissen, was vor ihren Augen ist. Dort sind auch alle Geschenke für die Jungs versteckt. Ja, es macht so viel Spaß im netten Sinn hinterlistig zu sein. Und es hilft tierisch, sich nicht zu verplappern, wenn man mit ihr redet.

Ich habe wirklich ein paar Mal blöde Fragen gestellt. „Ist das Paket schon bei Ryan angekommen?“ – „Nein, es ist noch unterwegs. Seltsam, das von meinen Eltern ist schon da.“ – Anderer Gesprächspartner: „Shondra, ist Justine´s Paket gekommen?“ – „Ja, und es ist richtig schön, es hängt bereits am Baum.“ Natürlich alles am gleichen Tag. Oder „Justine, wie ist das eigentlich mit den Ferien am College? Sind die so, wie hier?“ Ich habe auch ganz allgemeine Fragen über Ryan gestellt. Und das obwohl ich einiges schon wusste.

An einem Tag erzählte mir Shondra, dass Justine´s Eltern sie besuchen würden. An diesem Tag sollte Ryan erfahren, dass er zu uns nach Deutschland kommt. Kurz später hatten wir über Eltern gesprochen. Justine sagte: „Irgendwie hatten meine Eltern und Ryan´s Eltern nie viel Kontakt, bis ich nach Deutschland kam. Heute kommen sie wieder zum Essen zu Ryan´s Familie. Warum weiß er auch nicht.“ Da konnte ich mich nur umdrehen und grinsen. Das war ein Moment, in dem ich kurz davor war, mich zu verraten. Sie wollten es ihm überlassen, es ihr zu sagen oder unseren Vorschlag zu übernehmen. Der Vorschlag war, einfach morgens (oder wann auch immer der Flieger landet) in der Küche zu sitzen, als wäre es das normalste der Welt. Und nach allem, was ich von Ryan bis dahin gehört habe, war mir klar, dass er sich dafür entscheiden würde.

So gingen die Tage ins Land. Wir haben uns abgesprochen und ich bekam Bilder von Ryan am Flughafen. Kurz vorm Check in. Shondra hatte doch Angst, dass Justine leicht sauer ist, weil Ryan nicht skypen kann. Aber wie auch? Im Flieger geht es nicht. Ich sollte Justine doch trösten. Aber das wäre aufgefallen. Ich konnte sie also nur alleine in ihrem Kummer lassen. Später in ihrem Blog konnte ich lesen, dass sie sich die halbe Nacht versucht hat, wach zu halten.

Tommy hat sich für den Morgen extra frei gehalten. Die Kinder sollten auch erst am Tag danach kommen, damit die beiden wenigstens den ersten Tag Ruhe haben. Wir haben viel am Flughafen online kucken müssen, wo er am besten parkt, wo kommt Ryan an, wie sieht er aus? So herrlich. Ich bin daheim immer unruhiger geworden. Und zittriger. Wie lange wird Justine schlafen? Bekommt sie was mit? Wo pack ich die Kamera am besten hin, um das Ganze zu filmen? Dann kam die Nachricht: „Hab ihn eingesammelt und wir kommen jetzt.“ Uh, jetzt aber. Ich bin immer nervöser geworden.

Dann kamen die beiden an. Aus Justines Zimmer kam noch kein Geräusch. OK. Erst mal Ryan begrüßen. Der war äußerlich schon sehr cool. Aber ich glaube schon, dass er aufgeregt war. Er saß am Küchentisch, wollte nichts essen, wollte nichts trinken. Nur eine Zeitung, die er „lesen“ kann, wenn Justine kommt. Wir haben uns unterhalten. Es war sehr lustig. Ich dachte nur, wenn wir weiterhin so laut sind, merkt sie vorher was. Schnell die eine Tür schließen. Ich wollte auch schon den Saugrobotor gegen ihre Schlafzimmertür knallen lassen, dass sie endlich wach wird. Aber das fand ich dann nicht so toll. Gibt ja auch Macken in der Tür. Also weiter warten. Scheiße, ich hab richtig gezittert. Immer wieder aufs Handy schauen, ob sie denn mal online ist. Immernoch keine Reaktion. Irgendwann hab ich es nicht mehr ausgehalten. Ich habe sie gefragt ob sie wach ist und ob sie mir mal in der Küche helfen könnte. Kurz drauf hörte ich ihre Tür. Gott sei Dank sind die bei uns nie leise zu öffnen, auch wenn Justine Meisterin im Leise-sein ist. Also Kamera an, Handy in ihre Richtung halten und kucken, was passiert.

Leider kann ich das Video nicht hochladen, da das nur mit Premium-Tarif geht. Aber ich kann beschreiben, was ich sah. Justine schlurfte langsam in die Küche. Tommy saß für sie sichtbar am Tisch, ich stand in perfekter Film-Postition. Allerdings war mein aufgeregtes Zittern nicht so praktisch. Sie bleibt in der Tür stehen, stutzt, sieht Ryan, starrt ihn an. „What??“ Ryan sagt: „Oh hi there!“  „What are you doing here???“ Total ungläubig, total glücklich. Und endlich fiel sie in seine Arme. Mist, das hört sich so schmalzig an, dabei wars eigentlich sehr lustig. Für uns zumindest. So habe ich sie in der ganzen Zeit nicht strahlen sehen wie in diesem Moment. Es war so toll. Natürlich habe ich direkt das Video zu Shondra geschickt, die es wahrscheinlich 1000 Mal angekuckt hat. Ich wette, sie kann es immernoch nicht ohne Tränen ansehen. Ein Traum. Alle, die davon wussten, und es waren einige, haben das Video bekommen und fanden es toll.

Irgendwie waren die beiden die erste Stunde wie an der Seite zusammen fest geklebt. Da hätte noch kein Blatt Papier dazwischen gepasst. Wir haben ihr alles erzählt, was wie passierte. Sogar, ihre Geschenke für Ryan habe ich ihr gegeben. Sie war einfach nur verwundert, erstaunt und belustigt.

Für mich war es schön, die beiden zusammen zu sehen. Zu sehen, wie sie miteinander umgehen und Spaß zusammen haben. Am Nachmittag sind die beiden kurz durch unser Dorf gelaufen. Lang geht hier auch nicht, denn es ist nicht wirklich groß. Justine machte danach den Fehler, Ryan kurz alleine zu lassen. Da fiel er ins Koma und ist erst mal nicht mehr wach geworden.

Am nächsten Tag kamen meine Jungs wieder. Ich habe mich so gefreut. Und sie haben Ryan auch gleich als „Justine´s Freund“ aufgenommen. Nur Toni schaffte es erst ganz zum Schluss von „Jastiehms Freund“ zu „Rein“.

Justine und Ryan haben Pläne gemacht für ihre gemeinsame Zeit. Ich habe ihnen etwas geholfen und Tipps gegeben. Z.B. dass es eine bessere Idee ist, nach Amsterdam, statt nach Berlin zu fahren. Oder meine Fahrdienste zum Bahnhof anzubieten. Es ist schön, dass sie diese Sachen zusammen erleben konnten. Es ist eine Erinnerung für beide, die ihnen wohl immer bleiben wird. Und mir auch.

Ich könnte jetzt genau schreiben, was die beiden in ihrer gemeinsamen Zeit erlebt haben. Das ist aber nicht das, worüber ich schreibe. Ich schreibe über meine Erlebnisse als Gastmutter von Justine. Daher ist mein Bericht hiermit vorbei.

Ach nein, etwas kommt noch. Die Abreise.

Ich habe genau gekuckt, was und wie wieder am Flughafen ist. Allerdings musste er recht früh am Flughafen sein. Ich hatte das Haus noch voll mit Besuch. Und ich wollte Justine nicht zumuten, ihn am Flughafen zu verlassen. Auf seinen Abflug hätte ich sie nicht zwei Stunden warten lassen. Und dann ne Stunde wieder heimfahren? Schreckliche Idee. Gut, es hat vielleicht seine romantischen Züge, sich klischeehaft am Flughafen zu verabschieden. Aber so haben sie sich zu Hause verabschiedet, Tommy hat Ryan zum Flughafen gebracht und Justine konnte sich in ihrem Zimmer verkriechen. Ich sagte ihr, jetzt sei der perfekte Zeitpunkt, sich die Decke über den Kopf zu ziehen und in Selbstmitleid zu baden. Richtig heulen und die Tür zu lassen, bis es ihr besser ging. Allerdings habe ich die Taschentücher vergessen. Die habe ich ihr vor die Tür gestellt und den Jungs gesagt, sie sollen bloß von der Tür weg bleiben. Was auch geklappt hatte, solange die Tür geschlossen war. Denn kaum war sie geöffnet schlüpfte Toni zu Justine rein und fragte sie, warum denn der Papa ihren Freund weg gefahren hat. (Habe ich auch erst in ihrem Blog gelesen und ein sehr schlechtes Gewissen bekommen)

OK, jetzt ist aber wieder Ende für heute. Das nächste Thema? Ich bin mir noch nicht sicher. Karneval wohl eher nicht, denn so abenteuerlich war es für Justine nicht. Allerdings steht bald eine Hochzeit in Tirol an. Vielleicht das. Oder es passiert noch etwas zwischendrin.

4 Gedanken zu “Die größte Überraschung überhaupt

  1. Was für ein tolles Geschenk. Und wie schön, dass drei Familien zusammenarbeiten um Justine glücklich zu machen 🙂 Es ist unheimlich schön, von euch beiden zu lesen und zu sehen, was für eine tolle Erfahrung ihr macht. Und es ist toll, die ganze Erfahrung mal aus einer anderen Sichtweise zu erleben.

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